Dürfen Männer weinen
Gefühle wie Angst oder Schwäche zeigen? Und das als Mann? Eher nicht. Das männliche Rollenbild führt oft zu inneren Konflikten. Manchmal mündet es sogar in eine schwere Depression. Diese wird häufig nicht erkannt.
„Männer haben's schwer, nehmen's leicht, außen hart und innen ganz weich werd'n als Kind schon auf Mann geeicht Wann ist ein Mann ein Mann? Wann ist ein Mann ein Mann? Wann ist ein Mann ein Mann? … "
Der deutsche Musiker Herbert Grönemeyer hat sich in seinem 1984 veröffentlichten Song „Männer" in humorvoller Art mit der Frage beschäftigt, was als männlich gilt. Bereits als Kind werden sie, wie er es formuliert, darauf „geeicht" – wie ein technisches Messgerät geprüft und einer Norm angepasst. Es werden ihnen von Familie und Gesellschaft bestimmte Stereotype, Muster, vorgegeben, was von ihnen als Mann erwartet wird, wie sie sich verhalten und welche Rolle sie übernehmen sollen. Und entsprechend sind dann auch die Reaktionen, wenn ein eher Frauen zugeschriebenes Verhalten gezeigt wird, erklärt die Chefärztin des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses in Berlin, Dr. Iris Hauth:
„Dass immer noch geduldeter ist, dass eine Frau sagt: ‚Ich hab Angst', als dass ein Mann sagt: ‚Ich hab Angst'. Ich erkläre das immer noch mit Verhaltensstereotypen oder mit Rollenstereotypen, mit Rollen."
Stärke zu zeigen ist ein Verhalten, das von Männern erwartet wird. Angst zu äußern, wird nicht richtig akzeptiert, geduldet. Womit viele Menschen auch nicht zurechtkommen, sind Tränen bei einem Mann, sagt Iris Hauth:
„Ich hatte gerade 'n Patienten da, der mir auch sagte: ‚Meine Frau kann nicht ertragen, wenn ich weine. ' Und in vielen Bevölkerungsschichten ist es doch noch immer so, der Mann darf nicht weinen, der Mann darf nicht schwach sein. Aber auch, sagen wir mal, in Leistungsträgerstrukturen ist es so, man darf doch nicht zugeben, dass man da was Psychisches hat."
Zu weinen gilt in bestimmten sozialen Schichten als Zeichen der Schwäche. Auch in sogenannten Leistungsträgerstrukturen, also verantwortlichen Positionen in Unternehmen, ist es ein Tabu, seine Gefühle nicht im Griff zu haben. Wer weint, egal ob Mann oder Frau, hat in den Augen der anderen vielleicht tieferliegende, psychische Probleme. Sie oder er hat – wie es Iris Hauth umgangssprachlich formuliert – was Psychisches. Die psychische Gesundheit von Männern ist ein Thema, das bislang nur unzureichend erforscht ist. Dabei entfallen statistisch gesehen etwa ein Drittel der Depressionserkrankungen in Deutschland auf Männer. Für die fehlenden Zahlen gibt es laut Iris Hauth unter anderem diesen Grund:
„Männer gehen erstens überhaupt nicht zum Arzt, machen auch keine Prävention. Wenn sie zum Arzt gehen, klagen sie öfter über körperliche Symptome. Also, es ist lieber der Rücken oder was anderes."
Viele Männer, bei denen die Gefahr besteht, dass sie eine Depression entwickeln könnten, betreiben keine Prävention. Sie beugen nicht vor, indem sie rechtzeitig einen Arzt oder Psychotherapeuten aufsuchen. Und wenn sie zum Arzt gehen, geben sie dort an, dass sie körperliche Beschwerden haben, wie beispielsweise Rückenschmerzen. Oft ist es auch schwer zu erkennen, ob ein Mann eine Depression hat oder nicht, sagt Iris Hauth:
„'Ne Männerdepression fällt anders aus als 'ne Frauendepression. Bei Frauen ist es ja eher Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Rückzug. Und bei Männern wissen wir, dass häufig Männerdepression in Gereiztheit, Aggressivität, Wut sich zeigen kann – bis dahingehend, dass Männer oft auch ihre Depression wegtrinken."
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